Zu Hause unter Blättern - die Waldmenschen Zentralafrikas
Dieser Artikel wurde für die führende Schweizer Kinder- und Jugendzeitschrift SPICK verfasst, die Sprache ist der Zielgruppe angepasst.
Der Dschungel ist ihr Haus und ihr Jagdgebiet. Er ist Nahrungsquelle, Apotheke, Spielplatz und – ihre Seele. „Jengi“ ist der Geist des Waldes, der sie Tag und Nacht beschützt.
Die Baka Pygmäen sind mit dem Urwald, seinen Pflanzen und Tieren eng vertraut. Sie leben von der Jagd: Antilopen, Schweine, Affen und Kleingetier. Sie fischen, sammeln Honig und Süßkartoffeln, graben Wurzeln aus, ernten Früchte und Beeren. Der Wald ist für sie ein freundlicher Geist, der für sie sorgt, auch für ein Dach über dem Kopf.
Das Dach über den Kopf - es sieht aus wie ein modernes Igluzelt, ist aber aus biegsamen Ästen und Blättern gebaut.
Pygmäen – Ureinwohner der Wälder
Die Pygmäen, die Waldmenschen Zentralafrikas gelten als eine der ältesten noch lebenden Vorfahren der Menschheit. Vor 4000 Jahren erzählten die Ägypter in ihren Inschriften von den „kleinen Wesen aus dem Wald“ und ihren großen Fähigkeiten als Tänzer. Die Ägypter nannten sie „Gottestänzer.“
Sie sind damals wie heute Jäger und Sammler, etwa 40 000 leben verstreut in den Wäldern. Manche Stämme, wie die Baka, sind halbsesshafte Nomaden, sie wohnen eine Zeitlang an diesem und dann an jenem Platz.
„Kurz wie eine Faust“
Eigentlich ist „Pygmäe“ ein unfreundliches Wort, es leitet sich ab vom altgriechischen „pygmaios“ und bezeichnet eine Art Zwerg, der so „kurz wie eine Faust“ ist. Richtig wäre, die unterschiedlichen Stämme mit ihren eigenen Namen zu nennen, wie Babinga (im heutigen Gabun), oder Bambuti, Bashwa-Baefe, Bapoo Balese, (im Kongodelta), oder Batwa (im Gebiet Uganda-Ruanda). Die Baka sind im östlichsten Zipfel von Kamerun zu Hause.
135cm klein und 37kg leicht – das ist ganz normal für eine erwachsene Baka. Die Männer sind im Durchschnitt 15cm größer und 5kg schwerer.
Und wie groß bist Du? Viele Jungen und Mädchen aus der Schweiz sind bereits als Zehn- bis Zwölfjährige zwischen 135 und 150groß.
“Zwerg” unter Baumriesen
Bäume mit 30 bis 50 Meter hohen Stämmen – das ist ganz normal im Regenwald im Kamerun. Die Baumriesen stehen so dicht, dass ihre Blätter ein fast undurchdringliches Dach für die Sonnenstrahlen bilden. Am Tag ist es zwischen 25° und 32° C heiß, in der Nacht sind es 15° und 20° C. Die Luft ist feucht – wie im Dampfbad. Und es regnet. Jeden Tag.
Niemals ohne Lanze!
Kein Mann der Baka geht ohne Waffe in den Wald. Vielleicht läuft ihm ja ein leckeres Stachelschwein über den Weg.
Im zentralafrikanischen Regenwald leben Leoparden, Okapis, Elefanten, Antilopen, Affen, wilde Schweine, Schlangen, von denen einige sehr giftig sind. Die schwarze Kobra beispielsweise oder die grüne Mamba. Außerdem gibt es die Fleisch fressenden roten Ameisen und die Termiten, die Holz, Stoff oder Haut sehr schmackhaft finden.
Wasserspiele
Pam! Pam, papapam! Wasser fällt, spritzt, Kinder stampfen, spielen, springen, singen. Nach einem anstrengenden Tag – an dem sie Beeren gepflückt, gefischt und Brennholz gesammelt haben, ist es Zeit für Musik. Die Baka schlagen mit ihren Handflächen so geschickt auf die Wasseroberfläche des Flusses, dass zauberhafte Töne entstehen.
Erwachsen sein mit 8
Ihre Babies sind immer dabei. Drei Jahre lang tragen die Mütter ihre Kinder. Zuerst in ein Tuch gebunden auf dem Rücken, später auch auf dem Arm. Mit nur acht Jahren gilt ein Baka Kind als erwachsen. Mädchen müssen als Mutprobe solange allein im Wald bleiben, bis sie „yeli“ verstehen, den Gesang der Tiere. Jungen werden in einem komplizierten Ritual zum erwachsenen Mann gemacht. Sie bleiben tagelang im Wald, werden mit roter Paste eingerieben, eine blutige Lanze wird gezeigt, mit der die Jungen „geopfert“ werden, aber das ist nur symbolisch gemeint. Was genau passiert, weiß nur, wer dabei gewesen ist. Und Weiße dürfen gar nicht erst mitgehen. Jedenfalls kommt der Junge nach Tagen des Alleinseins zum Stamm zurück, wird gewaschen und gilt von nun an als Mann.
Kindheit ohne Schule, Arbeit ohne Geld
Nach einem kleinen gemeinsamen Frühstück aus Maniokwurzelbrei packen die Männer ihre Lanzen und gehen in den Wald. Dort verteilen sie sich und verständigen sich nur mir Gesten – sie ahmen die Tiere nach, die sie sehen oder hören und bewerten sie durch Handzeichen als Beute oder als Gefahr.
Da! Mit einem einzigen Schlag hat Dogbo einer Viper den Kopf abgetrennt. Obwohl die Giftschlange tot ist, ist sie gefährlich – ihre Kiefer bewegen sich noch reflexartig und können auch noch zubeißen.
Während die Männer auf der Jagd sind, gehen die Frauen fischen. Die Kinder sammeln Beeren, fangen Krebse und graben Wurzeln aus. Gegen vier Uhr trifft sich die Familien vor ihren Blätterhütten, sie legen ab, was sie gefunden haben: Früchte, Beeren, Wurzeln. Dann sammeln sie totes Holz zum Feuer machen.
Die grüne Mamba, die Dogbo am Morgen gefangen hat, wird in kleine Häppchen geschnitten und gebraten. Während die Frauen kochen, setzt der Regen ein – jeden Tag zur gleichen Zeit. Die Monate Juni/Juli gelten als Trockenzeit, aber auch dann ist es im Dschungel extrem feucht.
Zum Nachtisch werden gegrillte Bananen gereicht, die Kinder spielen am Bach oder vor der Blätterhütte. Gegen sechs sitzt jede Familie in der Hütte und lauscht den Zikaden, bis es schlagartig dunkel wird. Typisch für den Äquator, dass es keinen langen Sonnenauf- und Untergänge gibt. Zack, ist die Sonne weg – Nacht im Urwald, von dem niemand weiß, wie lange oder ob er noch geschützt werden kann.
Der Export von Edelholz ist ein lohnendes Geschäft
Die Baka haben engen Kontakt mit benachbarten Bauern, tauschen mit ihnen Waldprodukte für Feldfrüchte und andere Güter. Im Idealfall verlaufen solche Tauschgeschäfte fair, doch es kann schnell zur Ausbeutung kommen. Vor allem deshalb, weil den Baka offiziell nichts gehört. Der Wald gehört ihnen nicht, weil sie nicht an einem bestimmten Ort sind, sondern immer wieder umherziehen. Sie sprechen auch kein Französisch, die amtliche Sprache im Kamerun. Manche Teile des Waldes sind bereits von Holzfällern zerstört, dort können die Baka nur noch als Arbeiter oder Bettler überleben.
Die Reise eines Baumriesen
In den zentralafrikanischen Urwäldern wachsen auch Edelholzbäume, wie Mahagoni, Teak und Ebenholz, aus denen wertvolle Möbel hergestellt werden. Rücksichtslos werden die Bäume abgeholzt und zum Spottpreis nach Europa, Asien und Nordamerika verkauft. Die edlen Bäume landen als teure Gartenmöbel auch bei uns.
Reich werden die Holzfäller und Holzhändler, gierig auf noch mehr Geld sehen sie auf die Pygmäen herab und schützen ihren Lebensraum nicht. Auch die Regierung schützt sie nicht – als Nomaden die im Wald herumziehen, „gehört“ ihnen kein Stück Land.
Der Weg zu den Baka
Die Hauptstadt Jaunde ist 400 km weit weg, man braucht zwei Tagesreisen, um die Baka zu finden. Es geht über glitschig-schlammige Straßen und Pisten, wer nicht aufpasst, wird von den Holzlastern erfasst. Die Fahrer sind oft betrunken, liefern sich gefährliche Wettrennen durch den Dschungel. Hier geht es nicht um Recht und Gesetz, sondern um Profit.
Was kann man tun?
Zum Beispiel keine Möbel aus Teakholz, Mahagoni oder Ebenholz kaufen, wenn man nicht weiß, woher es kommt. Da es aber so gut wie keinen fairen Holzhandel mit Edelhölzern gibt und sie in der Regel aus schützenswerten Regenwäldern stammen: am besten Finger weg von Edelhölzern. Diese Naturschutzorganisationen setzen sich für den Regenwald ein: TFT Tropical Forest Trust ist ein Beispiel.