News aus Nambia - Radioblog

Ulla fährt Quad

Taschentuch mitnehmen. Ölstab abwischen.
Öl messen. Auf Hinterteil des Quads setzen. Wippen. Gucken, ob hinten rechts eine luftleere Delle im Reifen entsteht. Hilfe suchen. Luft reinquetschen. In den Tank gucken. Schimmert Benzin? Gut. Dreimal am schwarzen Hebel drücken. Anlassen. Rückwärtsgang einlegen, mit Fuß und Hand. Stotter, Krächz. Beinahe: Krach. Warum sagt mir keiner, dass hinter mir ein Pfosten steht? Warum ist das Quad kein Pferd? Das würde nicht einfach so gegen einen Pfosten laufen. Obwohl....

Jonathan, der hier den totalen Durchblick hat, gibt mir letzte Anweisungen. „Kein Vollgas!“ „Keine Donuts!“ Ist das nicht was Essbares? „Und nicht auf zwei Reifen fahren!“ Schade, genau das hatte ich doch erträumt. Tatsächlich bin ich froh, wenn Mutti die Kurve mit dem Ungetüm kriegt. „Und immer fragen, bevor Du das Quad nimmst.“ Irgendwie schätzt Jonathan meinen Gesichtsausdruck falsch ein. Das ist nicht Euphorie, das ist Ergebenheit. Fängt wenigstens beides mit „E“ an. Jetzt zurück zu den Pferden. Die meisten sind draußen auf Koppeln. Ab und an wiehert Manitou, der Hengst, der stattliche Sitatunga antwortet, das Pferd von Johanna. Männergespräche. Keine Ahnung worum es geht. Hoffentlich nicht um meine erste Ausfahrt mit dem Quad.

Der Weg der Buschmänner

Nun bin ich schon lange genug da, um mir mehr Gedanken über die Entstehung dieser urzeitlichen Landschaft zu machen. Bin mit Pferd direkt am Bullenkopf, dem markanten Felsen, der den Durchgang durch die Naukluftberge kennzeichnet – der Durchgang, den das Wild benutzt hat, um ohne lange Kletterpartien von hüben nach drüben zu ziehen. Hier genau liegt Büllsport, hier warteten früher die Buschmänner auf das Wild, das die Gebirgspassage nutzte. Wie durch einen Tunnel mussten Kudus, Springböcke, Oryx und andere leckere Antilopen – leichter als anderswo zu jagen. Ich lese über die Buschmänner, dass sie sich angeblich telepathisch verständigen konnten. Und so, wie heute mancher Hund weiß, wann sein Herrchen nach Hause kommt, auch wenn es unregelmäßig ist – telepathisch übertragen konnten, wann und wo welches Wild zu erwarten ist. Wenn ich allerdings versuche auf Lieblingsstute Emma telepathisch zu übertragen, sie möchte doch jetzt zu mir kommen statt ich zu ihr, schaut sie mich nur an und lässt die Unterlippe beben. Immerhin – das Lecken und Kauen gilt bei Pferden als Kontaktaufnahme, die bebende Unterlippe rechne ich mal dazu...

Gruselgeschichten für Gäste

Heute gab es Squash zum Springbock-Steak (Rezept siehe unten)  – kleine Kürbisse mit Bohnen gefüllt und Käse überbacken. Sehr lecker. Und natürlich ist es so, dass man abends nach dem guten Essen noch ein wenig zusammen sitzen kann. Die Gäste, die ich bisher auf Büllsport kennenlernen durfte, kommen aus Südafrika, der Schweiz, aus Deutschland und England. Das Naukluft-Gebirge fasziniert sie – auch durch die vielen Geschichten. Da war der Wanderer, der verlorenging, weil seine Karte nicht zur Landschaft passen wollte und umgekehrt. Er hatte die falsche Karte eingesteckt. Ernährte sich von Geckos und Eidechsen, trank Wasser aus den natürlichen Pools – und wurde nach drei Tagen entdeckt. Er war wohlauf - wäre er Gast auf Büllsport gewesen, hätte er die richtige Karte gehabt. Und ich lerne: Eidechsen und Geckos soll man roh essen, damit man auch gleich genug Flüssigkeit hat. Ich glaube, ich würde Diät machen – bis man mich gefunden hat. Und dann alles wieder mit Kürbis auffüllen.

5 Millimeter – Ulla will mehr

Was gehört zum Schönsten hier? Lassen wir die Pferde mal weg: dann ist es:

das Blau des Himmels am Morgen vor der großen Hitze. Der Kopf von Dogge Joey auf meinem Bein, damit ich nicht vom Stuhl aufstehen kann. Und die daumengroßen Regentropfen, die sich neuerdings kurz vor Feierabend einfinden, um neben mein abendliches Windhoek Lager zu platschen. Wie gut tut die kleine Abkühlung! Es sind leider nur knapp 5 Millimeter. Dass ausgerechnet Regen zu meinen großen Wünschen gehört! Zu den weiteren Wünschen zählt Post! An dieser Stelle vielen Dank für die vielen Mails der hr1 HörerInnen – Freunde, nehmt euch Beispiel! Ja! Zum Beispiel an hr1 Hörer Bernd M. von der Flugschule Siegen, der auf BüllsPort mit dem Gleitschirm war und davon berichtet oder hr1 Hörer Stefan S aus Wiesbaden, ich darf zitieren:

„Hallo Ulla, ich habe heute Morgen Deinen Beitrag aus Namibia gehört.

In Namibia ist die Eurokrise, die Griechenlandkrise und die Ukrainekrise so weit weg, da versteht man unsere Probleme überhaupt nicht. In Namibia wird man wieder geerdet und macht sich Gedanken zu den wesentlichen Dingen, als da sind: Regen, Weide, Rinderpreise, gutes Braai und kühles Bier. Und denke daran, Afrika schafft jeden. Was Afrika nicht schafft, schafft die Sonne. Ich bin ziemlich neidisch :=))“
 

Nicht neidisch sein, entweder Post oder Regen senden. Nehme auch beides

Auf PAD

Es dauert einen Tag, eine Woche oder länger. Man fährt zum Jagen, man reitet oder man geht wandern – in jedem Fall ist man auf PAD. Ein kaputter Weg, eine Panne, eine Schlange – was unterwegs passiert, passiert auf PAD. Man spricht von einem Padleben, einer Padkluft, Padkost und Padwetter – und jeder weiß Bescheid. Angeblich ist PAD ein Ausdruck aus dem Africaans, hergeleitet von „Pfad“. Wenigstens kann man „Pad“ leicht aussprechen, im Gegensatz zum Khoisan, der ursprünglichen Sprache der Einheimischen – der Nama, und die wiederum gehören zu den Hottentotten. Dass die so heißen, liegt angeblich am Khoisan, ihrer Sprache mit den Klicklauten. Die Buren haben das Klicken und Schnalzen der Zunge als Stottern gedeutet. Hotten.Totten. Stotten. Stottern. Meinetwegen. Hauptsache, ich verstehe: PAD. Und da gehe ich jetzt hin. Auf PAD mit Sitatunga, dem großen, hübschen Pferd von Johanna. Sitatunga versteht mich. Wenn der Schlüssel im Schloss zur Futterkammer klickt, weiß er, es gibt Essen. Wenn ich mit der Zunge schnalze, trabt er an. Und weder er noch ich kann Khoisan. Guter Sitatunga.

Der perfekte Lift

Einsteigen. Losfahren. So geht das, wenn ich von A nach B will. Ganz einfach mit dem Auto. Oder mit der Bahn. Gibt’s hier aber nicht. Hier sucht man einen „Lift.“ Einen Farmer, der irgendwohin muss – nach Swakopmund, Windhoek oder Mariental. Um Futter zu kaufen, Medizin für Rinder, Pferde, Menschen, Karabiner, Waschmittel, Gummibärchen.... was eben fehlt auf der Farm. Passt die Richtung, fährt man mit. Man ruft rum – wer fährt? Wo kann ich mit? Ich habe Glück. Jonathan fährt und der ist ja einer von „uns“ – von Büllsport. Startzeit morgens um 6.00h. Drei Stunden später werden wir in Windhoek sein. Und während er seine Liste abklappert, die Post holt, und bei Freunden und Verwandten vorbei schaut,  habe ich frei. F.R.E.I. Was mache ich nur mit so viel Zeit? Frisör. Kaffee trinken. Leute gucken. Und vielleicht ein bißchen Kultur. Christuskirche. Reste der deutschen Kolonialzeit verwundert betrachten. Und Schwarzwälder Kirschtorte essen. Neidisch? Gut. Hab ich mir doch verdient. 

Die Schlange Amanda
 

Das letzte Mal, dass ich mehrere Meter weit gehüpft bin, war bei den Bundesjugendspielen. Ehrenurkunde! Diesmal war es bestimmt noch viel weiter. Motiviert hat mich Amanda, eine Speikobra. Wohnhaft Köcherbaum-Schlucht, Naukluft Gebirge. Namibia. Die Wanderung durch die Köcherbaum-Schlucht ist ein Highlight der Gästefarm Büllsport,  urzeitliches Gestein macht Geologen glücklich, tiefgrüne Gumpen laden tatsächlich zum Baden ein,  mit viel Glück entdeckt man einen Waran – nein, es ist nicht gefährlich, dort zu Baden – es sei denn, Amanda ist da. Und ausgerechnet mich überrascht sie mit ihrer Anwesenheit. Angeblich sieht nur jeder fünfte Besucher etwas von ihr, also – die nächsten vier können kommen. Unbedingt anfassen: Die Rinde der Köcherbäume – wie gelb gefärbtes Pergament platzt es vom Stamm, aus dem oben, wie aus einem Köcher, ein wenig Grün ragt. Eigentlich dauert diese Wanderung nur 2,5 bis 3,5 Stunden – dank Amanda war ich ruckzuck zurück. Die Ehrenurkunde zum Ansporn in Weitsprung und Sprint gebührt ihr!

Das Sossusvlei...

...ist ein „must have“ in Namibia – also muss ich hin.  Ich nutze meine freie Zeit für eine Fahrt zu den größten Dünen der Welt, verdammt weit weg, die Dinger. In der Wüste Namib gelegen kommt man die letzten Kilometer nur noch mit Allrad voran. „Sossus“ bedeutet Sammelstelle für Wasser, „Vlei“ ist africaans und bedeutet Mulde, die in der Regenzeit mit Wasser gefüllt ist. Wasser? Regen? Zeit? Zeit braucht man, um die Millionenjahre alten viele hundert Meter hohen Dünen zu bewundern. Vor allem dann, wenn man beschließt, Ameisen-klein auf ihren Graten herumzuwandern. Ich entscheide mich fürs Deadvlei, das ist flach. Geregnet hat es hier – jetzt jedenfalls nicht. Staune über die Kameldornbäume, die irgendwann mal hier wachsen konnten und jetzt dead/tot sind. Und freue mich darüber, dass mein Kopf und Körper nicht die Farbe der Dünen annehmen müssen, irgendetwas zwischen hochrot und tizian – sondern zurück ins klimatisierte Auto darf, statt mir im bis zu 80 Grad heißen Sand die Füße zu verbrennen.

Das Kreuz des Südens

Es heißt, die Sterne über Namibia könne man hören, wenn man nur still genug sei. Sie seien in Wahrheit Jäger, die sich flüsternd die Bewegung des Wildes mitteilten. Flüsternde Sterne? Das will ich hören! Also besuche ich das Namib Dune Star Camp – fünf Schlafhäuschen einer Lodge, ein Haupthaus für Essen und Trinken. Das Bett im Schlafhäuschen ist weich, blütenweiß bezogen – Luxus pur mitten in der Wüste. Das Beste am Bett sind die Rollen, auf denen es auf die hauseigene Terrasse geschoben werden kann. Gesehen, getan. Nun muss nur noch die Nacht kommen. Und – sie kommt. Pünktlich um halb sieben verschwindet die Sonne, Mond kommt. Venus erscheint. Und dann geht es los. Milchstraße. Magellansche Wolke. Schwarzes Loch. Sensationell. Eher enttäuschend: das Kreuz des Südens. Das hatte ich mir größer und spektakulärer vorgestellt. Es erinnert mich an den Drachen, den ich im Kindergarten als zwangs-bastelnde Mutter hingefummelt habe. habe. Am Kreuz des Südens haben sich also die Seefahrer orientiert. Columbus! Mit dem Sternen Navi-wäre ich auch in die falsche Richtung gesegelt. Gehört habe ich die Sterne übrigens nicht. Muss wohl vorher eingeschlafen sein.

Kambaku ...

...ist eigentlich der Name eines Elefanten. Der hatte so große Stoßzähne, dass Kambaku berühmt wurde und seine Zähne nun in einem Museum ausgestellt sind. Kambaku – so heißt auch das letzte Ziel meiner freien Tage. Elefanten gibt es auf dieser Lodge nicht, aber  - von Antilope über Giraffe bis Warzenschwein – alles, was mein Herz begehrt. Und dazu gehören natürlich auch: Pferde. Herrliche Ausritte, herrliche Lodge. Weit weg vom heißen Süden, sondern oben im Norden, Richtung Etosha. Wie schön, einmal nicht selbst Guide zu sein, sondern einfach hinter Hanna und Caro zu bleiben – den beiden deutschen Reitguides von Kambaku. Nicht selbst ab Sonnenaufgang Pferde zu putzen, satteln und dem Gast hinaufhelfen, sondern selbst Gast sein. Keine Verantwortung -  nichts, worum ich mich kümmern muss. Naja, anstrengend ist es schon, mein Handtuch auf der Pool-Liege auszubreiten und nach dem Kaffee zu greifen. Das soll man nicht unterschätzen – so eine Tätigkeit!

 

Aber bitte nicht neidisch werden, auch bei mir geht der Stress wieder los. Und mit Ende meiner freien Zeit enden auch meine Mails mit dieser hier.

 

 

Ulla Atzert