Wenn Weiße schwarz sehen - Radiotagebuch

Jeder Tag anders…

 ...bis auf den Anfang. Aufstehen um halb sieben, um 7.00h mit Ma Tam Pferde reinholen.

 Frühstück um 8.00h

Heute: Mitarbeiter der Farm zur Krankenstation nach Retoog fahren, diverse Mütter, zwei Babies, zwei Kleinkinder und Petrus, den einzigen männlichen Begleiter hinten auf der Ladeklappe. Acht Schwarz-Afrikaner hinbringen und alle wieder zurückbringen, keine/r soll unterwegs Verwandte besuchen, Alkohol kaufen o.ä. Nunja, da ich ihre Sprache nicht spreche – sicher kein Problem. Retoog ist ca 40 Minuten Schotterpiste entfernt, Schorsch, mein Allrad-Freund rumpelt uns zuverlässig in das Nest mit der Krankenstation, ein Baby muss geimpft werden, das andere ist irgendwie krank, einige bekommen Verhütungsspritzen und eine der Mitfahrerinnen hat Halsschmerzen. Ich lungere vor der Krankenstation herum, warte. Sehe das erste Auto seit Stunden – ein LKW mit Bier. Er bringt die kostbare Fracht in den einzigen Laden am Ort, ein Eselskarren parkt bereits dort.

Ich schaffe es, den Weg zurück auch durch ausgetrocknete Flussbetten zu finden, Schorsch hält durch, wir erreichen die Farm rechtzeitig zum Mittagessen. Jetzt habe ich Bürodienst, die anderen haben Pause. Wir erwarten Gäste, die auch reiten wollen. Ab 15.00h muss ich die Pferde vorbereiten, 2 neue von der Koppel: Ristretta und Ulrika. Hoffe, ich finde das richtige Pferd, den richtigen Sattel – überhaupt alles, was richtig ist. Wie nett, dass sich die beiden Pferdedamen bereits ausgiebig im Sand gewälzt haben – hübsch paniert sind sie, beidseitig.

Ich putz ja gern...wenn es nur etwas kühler wäre. Habe Shorts für mich und Hufschoner für die Pferde bestellt, über das Internet. Der Weg der Shorts: zum HR, von dort zu einer Adresse nach Windhoek, und der nächste, der nach Windhoek fährt, bringt sie mir mit. Hoffe,  alles passt. Vor allem die Dinger für die Hufe.

Träume von Eiswürfeln im Nacken, offenen Sandalen und Sommerkleidchen. Pling! Die Aufgaben rufen: Wenn ich die Pferde fertig habe, und noch Zeit ist, will ich den Zebratrail erkunden – mit Manitou. Er kennt den Weg und bringt mich bestimmt sicher zur Farm zurück. Vor 20.00h – denn dann ist Abendessen und Schluss mit dem langen Tag.

Der Fall in den Futtertrog

Schmerzen. Liege auf dem Bett, Rippe geprellt. Ich hasse Trail-Sättel. Schreckliche Ungetüme für Cowboys - überall Strippen, Schnallen und Kram. Kein Wunder, dass meine Stute das Zeug loswerden wollte, als Johanna dem Pferdepfleger Ma Tam und mir, der Novizin in Sachen Wanderreiten, zeigen wollte, in welcher Reihenfolge man den ganzen Lederstrippenkram auf und ans Pferd bringt. Ma Tam und ich hatten es falsch gemacht. Pferd scheut. Ulla landet im Futtertrog. Autsch. Wie ich aus dem Trog und jetzt aus dem Bett komme? Ganz einfach: Langsames Wälzen über die linke Seite in den Sitz. Mühsames Hochdrücken vom Bettrand in den Stand. Aber reiten geht – zum Glück. Bücken geht nicht so gut. Apropos Bett: Freue mich jeden Mittag drauf. Dabei habe ich noch nie Mittagsschlaf gemacht. Und nun das! Liege also mittags auf der einen Hälfte des Bettes, nachts auf der anderen. Die mittags genutzte Seite nimmt mittlerweile eine rötliche Tönung an,  weil ich mir erlaube, dort in nicht ganz sauberen Reitklamotten zu ruhen. Die andere Seite ist für die geduschte Variante von mir vorgesehen. Das ist mein System zum Wäsche sparen.

 

Es ist so unfassbar heiß hier, das ich vom Nasebohren schwitzen würde. Gut, dass ich selbstverständlich nicht bohre. Reiten ist glücklicherweise eine sitzende Tätigkeit. Weich sitzen, wie Himbeergelee – das ist die Devise. Ausatmen, wenn es stressig wird. Damit das Pferd denkt, dass alles in Ordnung ist. Dass der meterhohe Kudu nur guckt, die Schlange nur ein schwarzer Gummischlauch ist und der Leopard? Der will nur spielen – ist ja auch nur ne Miezekatze. Ja, es gibt hier zwar Leoparden, aber ich habe noch keinen gesehen. Pferde sehen dafür allerlei – auch wenn gar nichts im Busch ist. Was ich mit ihnen teile, ist die Abneigung gegen Schlangen, habe aber noch keine echte gesehen. Und das kann bitte so bleiben.

Das Namibia Gen

 Heute mit dem Schmied gesprochen. Wilhelm heißt er und kommt nicht aus Deutschland – er sei Namibier und das mit großem Stolz.

Während er einem Pferd nach dem anderen neue Eisen draufnagelt, erklärt er mir den genetischen Code, der die Menschen an Namibia bindet. Da soll es nämlich 2 Sorten geben. Die Einen sagen, man sei hier zwar nicht am „Arsch der Welt“, aber man könne ihn von hier aus sehen. Das sind die Leute, die nicht unbedingt wiederkommen. Die Anderen sagen: Nur hier ist der Himmel so blau, sind die Sterne so leuchtend, der Horizont so weit – und hier sei die 1.Welt möglich, obwohl man in der 5. Welt lebt. Unter Strich: aus jeder Welt das Beste. Das Beste von früher plus das Beste von heute = Namibia.

 Gut, es regnet in einem Jahr so viel wie in Deutschland in einer Woche. Die Schwarzen haben häufig Aids, die Schulbildung ist nicht die beste, es sei denn, die Kinder werden auf einer unterstützen Schule unterrichtet. Unterstützt? Zum Beispiel von dem Rotary Club im hessischen Büdingen – die Schule will ich sehen. Ich komme tatsächlich hin, die Kinder sind zwischen 7 und 15 Jahre alt, sie  singen mir ein Lied, der weißen Frau mit dem verlegenen Grinsen. Und kichern, als ich mich in Ihrer Sprache übe – die mit den Klicklauten. Der Direktor zeigt mir stolz den Solarkocher – mit Sonne kochen – super Idee einer NGO (einer nicht staatlichen Hilfsorganisation) Schade nur, dass traditionell abends gekocht wird in Namibia, dann ist die Sonne weg. Die Kinder winken mir zum Abschied, wir verschwinden in einer Staubwolke – mit Schorsch, dem alten Offroader, der schon 300.000 km Namibia-Piste in den Gelenken – Verzeihung: im Getriebe – hat.

Ich schnappe mir Manitou und bummele mit dem Hengst durchs Gelände. Er eiert noch ein wenig auf seinen neuen Eisen herum, ich beobachte vom Sattel aus Kudus, Paviane und Springböcke. Bilder? Gibt’s auch – von der Schule. Von Manitou und mir. Und natürlich vom Schmied, dem ich die Pferde anreichen durfte. 12 an einem unglaublich heißen Tag – das zu mögen, klappt nur mit einem Namibia-Gen.

Mein schönes Hemd!

Ich weiß, es liegt nur an meinem Hemd mit dem Büllsport-Logo. Kaum ziehe ich es an, durchströmen mich Durchblick und Wissen. Ich werde zu einer Art Guru. Die Gäste glauben an mich! Und das ist gut so, denn die Ausritte müssen sicher sein. Alles in Ruhe, alles nach Regeln. Natürlich habe ich ein Funkgerät dabei. Aber wie ich da so über die Geologie des Naukluft Gebirges und uralte Granitschalen berichte, hier und da Auskunft zu Flora und Fauna erkläre – ich staune! Habe in den Büchern der Farm gelesen  - hier nun einige Satzanfänge für den geneigten Gast:

Links das vertrocknete Kraut? Der Wunderbusch, sobald es regnet, öffnet er sich und sieht ganz wundervoll aus.....Die hellen Stellen am Berghang? Zebra-Badewannen, sie reinigen dort ihr Fell, schruppen sich Parasiten von der Haut... Hartmann-Bergzebras, Streifen bräunlich, weißer Bauch.....Und die großen Löcher dort: Stachelschwein-Wohnungen, ja, Sie können verlorene Stacheln finden, die dürfen Sie auch mitnehmen....und das dort? Webervögel. Sie bauen kunstvolle Nester, und das Weibchen schaut, ob ihr das Werk gefällt. Wenn nicht, muss ER ein neues Nest bauen (folgt kurzes Aufstöhnen der männlichen Gäste.....Die Größe der Farm? 10.000 Hektar – man kann das aber nicht mit deutschen Verhältnissen vergleichen. Pro Rind rechnet man hier ca 100 Hektar Land...Also, Gäste kommt zuhauf. Der Gäste-Guru freut sich drauf.

 

 

 

 

 

 

Ulla Atzert