Schuften auf der Farm - Radiotagebuch

Neu im Team

Mitarbeiter und Gäste essen abends zusammen an einem großen Tisch. Heute: Zebraschnitzel, Kartoffelstampf und Smash, kleine grüne Kürbisse mit Bohnen gefüllt. Wenn das so weiter geht mit dem guten Essen, werde ich zum Kürbis, der Form halber. Dazu:  Windhoek Lager, Namibia Bier, gebraut nach deutschen Reinheitsgebot. Bin platt, bin mit Manitou, dem Hengst, oder er mir – jedenfalls wir beide - sind um den Bullenkopf geritten, dem Namensgeber der Buellsport Farm. Ein Berg, der den Durchgang des Naukluft Gebirges markiert. Faszinierend: die Höhlen der Steinzeitmenschen, der hier vor 50.000 Jahren seine Beute gebrutzelt hat. Finde Rußspuren. So also sah eine Steinzeitwohnung aus: Zwei-Zimmer-Höhle mit Terrasse und Ausblick. Nach Ausritt mit Manitou ist Emma dran, eine sehr feine Stute. Krass: Bei Johanna gehen die Pferde auf einen winzigen Fingerzeig. Auch Anfänger können hier mit besonderer Freude reiten – dank dieser Trainingsmethoden.  Ich trainiere derweil, alles irgendwie hinzukriegen. Und freu mich, wenn ich

a)   Die Pferde auf die richtigen Koppeln gestellt habe. Eine meine leichtesten Übungen bei 10.000 Hektar Land. Wer meinen Orientierungssinn (nicht vorhanden) kennt, weiß was das für mich bedeutet.

b)   Den Schorsch richtig geparkt habe, ohne vorher von der Straße gedriftet zu sein, Schorsch ist ein Geländewagen, ziemlich betagt – auch er möchte freundlich behandelt werden, mindestens dreimal vorglühen und liebevoll schalten!

c)   Sämtliche Schlüssel an die richtigen Haken hänge, von der Sattelkammer bis zum Waschhaus. Und pünktlich zum Abendessen erscheine - ohne Heu in den Haaren.

 Sehnsucht nach Vertrautem

Ist ja ne feine Sache, mal was ganz anderes zu machen, aber warum hat mir keiner gesagt, wie anders alles ist? Statt fester Joggingrunden, schlurfe ich früh morgens zum Stall. Bewegung habe ich reichlich, von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends, aber ich gehe langsam, es ist so heiß. Kein Stau auf der Autobahn, keine Konferenzen, keine Ahnung, was in Deutschland los ist. am zweiten tag habe ich aufgehört mit Wimperntusche uns Co, jetzt ist Fliegenspray mein Parfum.

Ich war doch mal wer, in meinem früheren Leben – aber wer? Redakteurin, Autorin – außerdem habe ich mir als Mutter zweier Buben auf diversen Zwangsveranstaltungen vom Laternen basteln über bis zur Abifeier (ja, es war auch schön) den Hintern platt gesessen und eifrig mitgemacht, wenn es irgendwo etwas zu organisieren und zu verbessern gab. Ach, und die dann noch die Bücher, die ich geschrieben habe, die Artikel, die Texte und jetzt: Pling – bin ich Praktikantin. Bei der Kontrolle der Koppeln, eine Herde Springböcke vor der Motorhaube. Schorsch ruckelt zwischen Kameldorn-Akazien durch ein ausgetrocknetes Flussbett. Ma Tam, der Pferdepfleger sitzt neben mir. Wir sollen schauen, ob die Stutenherde wohlauf ist. 48 Pferdebeine kontrollieren, auf Verletzungen. Frust kommt auf, wenn ich schon wieder vergessen hab, welche Koppel wo liegt. Welches Pferd wo hingehört. Welcher Sattel für welches Pferd. Und wie verdammt noch mal dieses verdammte Vorderzeug (Lederkram) verschnallt werden muss. Eingenebelt in Fliegenspray sitze ich dann irgendwann auf dem hoffentlich richtigen Sattel auf dem hoffentlich richtigen Pferd, öffne hoffentlich das richtige Tor, finde hoffentlich den richtigen Weg. Heute hats geklappt. Es sei denn, Manitou steht plötzlich bei mir am Bett – und verlangt Heu, weil ich es vergessen habe. Arbeitszeiten? Start um 7. Ende um 8. Das sind: 13 Stunden. Minus Mittagspause. Von 12.30 bis 15.00 Uhr. So, liebe Kollegen, das machen wir dann demnächst auch so bei hr1 - die lange Mittagspause.

 

Ulla Atzert